Stell dir vor, du läufst durch die Stadt, vorbei an leeren Schaufenstern, geschlossenen Rollläden, alten Friseurschildern, deren Farben verblassen. Keine Gespräche mehr über den Spiegel hinweg. Kein Duft nach Shampoo, kein Summen von Maschinen, keine schnellen Schnitte zwischen Kaffee und Alltag. Genau das könnte unsere Realität werden – vielleicht früher als gedacht. Denn in Deutschland sterben die Friseure langsam aus. Nicht, weil die Menschen keine Frisuren mehr wollen, sondern weil kaum noch jemand diesen Beruf ergreifen will.
Die Ausbildungszahlen sinken seit Jahren. Der Beruf ist körperlich fordernd, die Bezahlung oft schlecht, der gesellschaftliche Respekt begrenzt. Viele Jugendliche entscheiden sich lieber für andere Wege – mit mehr Geld, mehr Anerkennung, mehr Sicherheit. Was bleibt, ist ein Beruf, der altert, der ausblutet. Und mit ihm verschwindet ein ganzes Stück Alltagskultur. Denn der Friseur war nie nur Handwerker. Er war Gesprächspartner, Zuhörer, Stilberater, manchmal auch Psychologe. Einer, der dich kennt, bevor du selbst weißt, wie du aussehen willst.
Wenn dieser Beruf verschwindet, wird sich mehr verändern als nur die Art, wie wir uns die Haare schneiden. Die Preise werden steigen, weil es weniger Anbieter gibt. Schon jetzt kostet ein Herrenhaarschnitt in vielen Städten 50 Euro – und das wird sich nicht verbessern. Gleichzeitig entstehen Lücken im Alltag. Rituale fallen weg. Der Friseurbesuch ist für viele Menschen ein Moment zum Durchatmen, ein Stück persönlicher Pflege in einer lauten Welt. Wenn das wegfällt, wird es nicht einfach ersetzt.
Wer sich keinen professionellen Haarschnitt mehr leisten kann oder keinen Termin mehr bekommt, greift irgendwann selbst zur Maschine. Das mag im ersten Moment praktisch wirken, langfristig aber führt es zu einem Verlust von Stilkultur, Beratung und Individualität. Die Haarmode wird eintönig. Persönlicher Ausdruck reduziert sich auf das Nötigste. Männer, die ohnehin oft weniger experimentieren, verlieren dabei besonders.
In ländlichen Gegenden ist der Wandel schon deutlich spürbar. Die Salons schließen, weil die Inhaber alt werden und keine Nachfolge finden. Es gibt keine Azubis mehr, keine junge Energie, keinen Nachwuchs. Das Handwerk stirbt leise – und mit ihm ein Stück Menschlichkeit. Denn ein Friseur ist kein Algorithmus. Er sieht dich, hört dich, arbeitet mit den Händen und dem Blick fürs Wesentliche. Wenn das ersetzt wird, dann höchstens durch Roboter oder Ketten ohne Seele. Der Preis dafür: gesichtslose Einheitsfrisuren, sterile Atmosphäre, Gespräche gegen eine Wand.
Was tun wir also, wenn es bald keine Friseure mehr gibt? Warten, bis uns jemand die Haare schneidet, der keine Ausbildung hat? Importieren wir Handwerk aus anderen Ländern? Oder automatisieren wir auch das? Keine dieser Lösungen bringt das zurück, was verloren geht: das Persönliche, das Handgemachte, das Vertrauen.
Die Zukunft ohne Friseure ist keine Dystopie aus der Ferne – sie ist längst im Gange. Wenn wir wollen, dass dieser Beruf bleibt, braucht es jetzt Veränderungen. Bessere Ausbildungsbedingungen. Mehr Anerkennung. Faire Löhne. Und das Bewusstsein, dass der Friseur nicht irgendein Job ist. Sondern ein Dienst am Menschen.